Davos WEF

WEF Spezial: Macht das WEF die Welt besser?

 

 

 

 

 

Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forums (WEF)

 

Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forums (WEF), berichtete in einem Interview mit der Coopzeitung über den Sinn und Zweck des WEF, über die Einbindung von Kirche und Kritikern, über erste Resultate und Gefahren für die Erde sowie über die Globalisierung.

Schwabs Anliegen sei den WEF als neutrale Diskussionsplattforum zu erhalten. Je mehr Engagement für eine bessere Welt, desto besser, meint Schwab. Angestrebt wird eine Partnerschaft für Sicherheit und Wohlstand.

Dominic Geisseler/Daniel Sägesser: Wird die Welt wegen des WEF besser?
Klaus Schwab:
Dazu möchten wir einen Beitrag leisten. Es ist meine Überzeugung, dass die Probleme von heute nur gemeinsam gelöst werden können. Es braucht dazu eine Plattform - für den Gedankenaustausch zwischen Regierungen, Wirtschaft, Hilfsorganisationen Wissenschaft, Medien, Religionen.

Weshalb findet das WEF in der Schweiz statt und was hat sie davon?
Im Kalten Krieg war die Neutralität unseres Lands hilfreich. Und auch heute ist sie angesichts der Konfliktpotenziale, etwa in den transatlantischen Beziehungen oder im Verhältnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, wieder sehr gefragt. Die Schweiz kann an ihre traditionelle Rolle anknüpfen und als «ehrliche Maklerin» agieren, so wie das Aussenministerin Micheline Calmy-Rey wieder tut. Die Schweiz profitiert davon, dass wir ihre Rolle als international bedeutenden Faktor unterstreichen.

Religion spielt eine immer wichtigere Rolle in der Welt. Welchen Stellenwert hat sie beim WEF?
Gerade in den letzten Jahren wurde das Konfliktpotenzial zwischen den Religionen offensichtlich. Deshalb sind Vertreter von Religionen in Davos sehr stark vertreten und am Austausch beteiligt. Auch kommendes Jahr werden rund 50 hohe Vertreter der Religionen teilnehmen. Wir lancieren ja viele unterschiedliche Initiativen. Eine davon ist die so genannte «Hundertergruppe», mit je 50 Persönlichkeiten aus der islamischen und aus der christlich-jüdischen Welt.

Der Papst ist nicht gekommen.
Nein. Er ist aber jemand, den ich gerne in Davos gehabt hätte. Er gehört zu den grossen Persönlichkeiten der Jahrhundertwende. Nun lassen sein Gesundheitszustand und sein Alter die strapaziöse Reise nach Davos nicht mehr zu. Es wäre aber schön, wenn sein Nachfolger nach Davos käme.

Laden Sie die Grossen dieser Welt persönlich ein?
Die Einladungen erfolgen über die Botschaften des betreffenden Landes. So habe ich zum Beispiel der neuen amerikanischen Botschafterin in der Schweiz vor kurzem einen Antrittsbesuch abgestattet. Dabei sprachen wir über die amerikanische Beteiligung am kommenden Jahrestreffen in Davos. Das ist das offizielle Vorgehen. Natürlich unterhalten wir auch unser eigenes Netzwerk durch systematische Besuche und durch die regionalen WEF-Anlässe.

Das läuft also auf politischer und nicht auf persönlicher Ebene?
Am Anfang war mein persönliches Beziehungsnetz tatsächlich ausschlaggebend. Aber so funktioniert es schon lange nicht mehr. Ich bin kein «Gesellschaftstiger», der abends in Bars mit Leuten zusammensitzt, um Kontakte zu pflegen. Ich gehe an keine Cocktailpartys, nehme keine Einladungen für Empfänge in Genf an. Die Leute kommen ans WEF, weil sie davon überzeugt sind, dass wichtige Themen substanziell behandelt werden und dass dies ihnen etwas bringt.

«Partnerschaft für Sicherheit und Wohlstand» lautet der Arbeitstitel der WEF-Jahresversammlung in Davos. Der Anteil der Nichtregierungsorganisationen (NGO), Gewerkschaften und Kirchen am WEF beträgt jedoch keine zehn Prozent. Welchen Einfluss haben diese überhaupt?
Sie sind nicht richtig orientiert. Das Verhältnis zwischen Teilnehmern aus der Wirtschaft und solchen ausserhalb der Wirtschaft beträgt 50:50. An unser Jahrestreffen in Davos kommen rund 1000 Personen aus der Wirtschaft, die andern 1000 vertreten Politik, Wissenschaft, NGOs, Gewerkschaften, Medien, Religionen, und so weiter. Der Anteil der NGOs liegt bei über zehn Prozent. Die Medien sind mit etwa 400 Personen vertreten.

Geben Sie auch den Kritikern eine Plattform?
Selbstverständlich, das gehört ja zu unserem Konzept. Dutzende Organisationen wie beispielsweise der bedeutende englische Dachverband für Nichtregierungsorganisationen Oxfam oder Amnesty International nehmen am Treffen teil. Dazu kommen Globalisierungskritiker wie Josef Stiglitz, Noreena Hertz und andere. Unser Prinzip ist der Dialog. Unser Anspruch ist es, die Welt zu verbessern. Das tun wir durch konkretes, pragmatisches Handeln. Gemessen werden wir an den Resultaten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie ist Ihr Verhältnis zur WEF-Gegenveranstaltung «The Public Eye on Davos»?
Wir haben mehrmals den Kontakt zum «Public Eye» gesucht, weil ich jede friedliche, engagierte Diskussion begrüsse. Je mehr Engagement für eine bessere Welt, desto besser. Wir hatten auch José Bové schon eingeladen. Er zog es dann vor, in Davos an einer gewalttätigen Demonstration mitzumachen.

Wie erklären Sie sich die Aggressionen, die das WEF hervorruft?
Dafür gibt es aus meiner Sicht keine berechtigten Gründe. Ich setze mich dafür ein, dass die Unternehmen sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden und sich die Wirtschaft der Gesellschaft unterordnet. Ich teile die Besorgnis vieler friedlicher Globalisierungskritiker. Die gewalttätigen Gegner aber sind für mich Globalisierungs-Hooligans, die die Medienpräsenz ausnutzen, um ihre Frustrationen los zu werden. Genauso wie Fussball-Hooligans, die ja auch nichts mit Fussball zu tun haben. Wer einen McDonald's demoliert, dem geht es nicht um die Sache.

Nach welchen Kriterien laden Sie die 1000 Firmenvertreter ein?
Nach der Grösse. Auch müssen die 15 Branchen, in die wir die Wirtschaft unterteilen, gut repräsentiert sein. Dabei bevorzugen wir die Wirtschaftszweige der Zukunft wie Dienstleistungen, Telekommunikation oder Pharma. Aber wie gesagt kommt nur die Hälfte der Teilnehmer aus der Wirtschaft. Bei den Teilnehmern aus der Politik schauen wir, dass die Entwicklungsländer gut vertreten sind.

Wie viele Schweizer Firmen sind WEF-Mitglied?
Es sind rund 60. Die grossen eben.

Kann das WEF als eine von den weltweit grössten Konzernen finanzierte Institution eine neutrale Plattform sein?
Sicher. Ebenso liesse sich auch fragen: Kann ein Staat neutral sein? Seine Steuereinkommen stammen ja vor allem von den Reichen und den Unternehmen ... Wichtig ist, dass wir unsere Glaubwürdigkeit jederzeit behalten. Dass Druck auf uns ausgeübt wird, kommt schon vor, aber wir haben diesem nie nachgegeben.

Zum Beispiel?
Ende der 70er-Jahre lud ich den brasilianischen «Armenbischof» Dom Helder Camara nach Davos ein und es wurde ungeheuer starker Druck auf mich ausgeübt, von der Einladung abzusehen. Für die Multis war er ein rotes Tuch. In der Schweiz hatte er gar Redeverbot. Dem Druck gab ich aber nicht nach. Auch gegenüber Staaten haben wir nie Konzessionen gemacht, selbst gegenüber der Schweiz nicht.

Resultieren aus den Treffen ganz konkrete, messbare Resultate?
Natürlich. Im Jahr 2000 zum Beispiel brachten wir in Davos die Spitzen der Pharmaindustrie, der Weltgesundheitsorganisation und Bill Gates zusammen. Entstanden ist ein über eine Milliarde Franken schwerer Fonds, dank dem Millionen von Kindern geimpft werden können. Die Pharmaindustrie stellte die Impfstoffe zu günstigen Konditionen zur Verfügung, das Geld stammt hauptsächlich von Bill Gates.

Welches sind für die Erde momentan die grössten Probleme und Gefahren?
Im Moment sehe ich drei grosse, miteinander vernetzte Themen- und Fragenkomplexe:
1. Wie können wir unsere internationale, gegenseitige Abhängigkeit und Vernetzung optimal managen, beziehungsweise, wie sieht das Modell für das Management der Welt aus, bei dem alle relevanten Kräfte mit einbezogen sind?
2. Wie kann der Terrorismus gestoppt werden?
3. Wie lösen wir das Problem der Armut auf der Welt, beziehungsweise, was braucht es, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu beschleunigen?

Alle drei Themenkreise sind in den drei Schlüsselworten «Partnerschaft für Sicherheit und Wohlstand», im Thema des Jahrestreffens im Januar in Davos, vereinigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie wird die Welt in 30 Jahren aussehen?
Ich bin grundsätzlich optimistisch, sonst wäre ich am falschen Platz. Die Menschheit verfügt über die Fähigkeit und die Mittel, um in 30 Jahren der grossen Mehrheit der Weltbevölkerung ein menschenwürdiges Leben, also Zugang zu Ausbildung, Gesundheitswesen etc. zu ermöglichen. Allerdings sind die Risiken und Hindernisse dorthin enorm gross. Manchmal frage ich mich trotz meines Optimismus, ob wir 5 vor 12 nicht schon überschritten haben.

Wieso?
Die Wasserknappheit. Oder die Umweltverschmutzung, zum Beispiel im Bereich CO2. Zur Veranschaulichung: In China hat die Industrieproduktion im letzten Vierteljahr im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent zugenommen. Oder die wachsenden Gefahren durch den Terrorismus, der einer Privatisierung der Kriegsmaschinerie gleichkommt. Durch die weltweite Vernetzung waren wir noch nie so verletzlich wie heute. Wir werden noch einige böse Überraschungen erleben und müssen die Fähigkeit entwickeln, mit diesen fertig zu werden.

Als Vater des WEF gelten Sie als Mister Globalisierung. Führt Globalisierung nicht zu Ausbeutung?
Ich habe bereits lange vor den ersten Demonstrationen vor den negativen Folgen einer ungezügelten Globalisierung gewarnt. Ich bezeichne mich deshalb manchmal als ersten Globalisierungskritiker. Grundsätzlich bedeutet Globalisierung Öffnung und führt nicht automatisch zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Globalisierung an sich ist aber nur dann nachhaltig, wenn die Mehrheit der Menschen davon profitiert. Leider profitieren nicht alle vom dadurch geschaffenen Wohlstand. Nehmen wir China: Gelingt es nicht, den eher rückständigen Westen am Boom der Küstenregion teilhaben zu lassen, öffnet sich die Kluft zwischen Arm und Reich wie in Südamerika immer weiter. Die Ursachen liegen aber nicht bei der Globalisierung, sondern in den herrschenden Verhältnissen.

Klaus Schwab

Professor Klaus Schwab (65) studierte an der ETH Zürich sowie an den Universitäten von Fribourg und Harvard und doktorierte in Maschinenbau und Volkswirtschaft. 1969 bis 2002 lehrte Schwab Unternehmenspolitik an der Universität Genf. Er ist Mitglied verschiedener Aufsichtsräte und in akademischen Institutionen wie der Harvard Universität und dem Massachusetts Institute for Technology aktiv. 1998 gründeten Klaus Schwab und seine Gattin Hilde die Schwab Foundation für Social Entrepreneurship zur weltweiten Unterstützung von Unternehmern, die im sozialen Bereich tätig sind.

World Economic Forum

Das World Economic Forum (WEF) wurde 1971 in Genf gegründet. Es lädt Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Medien, Religionen etc. ein, um aktuelle Probleme zu analysieren und Lösungsansätze zu entwickeln. Das WEF führt weltweit Meetings durch, das Jahrestreffen findet jeweils in Davos statt. Das WEF hat rund ein Dutzend Initiativen gestartet, die sich der Lösung spezieller Probleme wie medizinische Versorgung oder Zugang zum Internet widmen. Das WEF beschäftigt rund 160 Mitarbeitende, das Jahresbudget beträgt 66 Millionen Franken.

Mehr Infos: www.weforum.org oder www.evb.ch

Autoren: Dominic Geisseler und Daniel Sägesser
Quelle: Mit der freundlichen Gehnemigung der Coopzeitung. Webseite:
www.coopzeitung.ch

Quelle: Lifenet: http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/187/12256#0